Ein “Dogwood” im Bexbacher Saarpfalz-Park erinnert seit Kurzem an die zehnjährige Partnerschaft zwischen dem Saarpfalz-Kreis und Henrico County im US-Bundesstaat Virginia.

Dessen Wirtschaftsförderer Fred T. Agostino pflanzte gemeinsam mit Landrat Clemens Lindemann die Kornelkirsche, den Symbolbaum von Virginia. Zur Pflanzaktion und zur Jubiläumsfeier waren alle gekommen, die bisher mit der Partnerschaft zu tun hatten und sich mit ihr verbunden fühlen.

Doris Gaa, die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Saarpfalz und der frühere Virginia-Wirtschaftsförderer Hans U. Schetelig, Nicole Fries von der Presse- und Kulturabteilung des US-Generalkonsulats Frankfurts, David Zach, Programmreferent des Deutsch-Amerikanischen Instituts Saarbrücken, und Hannsgeorg Orth, Vorsitzender des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises (DAF) Saar-Pfalz, gehörten genauso zu den Gästen wie die “Pioniere”, die 1996 als erste über den großen Teich aufgebrochen waren, Schüler und Lehrer aus den bisherigen Schüleraustauschprogrammen mit dem Mannlich-Gymnasium, Kreistagsmitglieder und DAF-Mitglieder.

Baumpflanzung

Baumpflanzung Nr. 1: Henrico Wirtschaftsförderer Fred T. Agostino und Landrat Clemens Lindemann pflanzten die Kornelkirsche im Einfahrtsbereich des Bexbacher Saarpfalz-Parks.
Foto: Christoph Volz

Informationen zur Kornelkirsche (PDF, 97 KB)

Der Schauplatz der Feier kam nicht von Ungefähr: Zwischen den Wirtschaftsförderungsgesellschaften findet ein steter Erfahrungsaustausch statt. Die WFG Saarpfalz vermittelt Unternehmen Kontakte in den Partnerkreis. “Dass es im Saarland durchaus Interesse am amerikanischen Markt gibt, zeigen die ‘Wirtschaftstage USA’ der saarländischen Industrie- und Handelskammer”, so Doris Gaa.

Bei seinem Rückblick auf die bisherige Partnerschaft betonte Clemens Lindemann den Stellenwert von Sprachkompetenz und ermunterte die anwesenden Schüler, die in der Partnerschaft liegenden Chancen für gegenseitige Kontakte und Erfahrungsaustausche zu nutzen. Nicole Fries, die ein ihre spätere Berufswahl mitentscheidendes High-School-Jahr in Connecticut verbracht hatte, überbrachte die Grüße von Generalkonsulin Jo Ellen Powell. “Die deutsch-amerikanischen Partnerschaftskontakte sind in den zurückliegenden 10 Jahren stetig gewachsen und durch Besucherdelegationen und Schülergruppen mit Leben erfüllt worden”, freute sie sich.

1994 war Agostino zum ersten Mal im Saarland, nachdem er von seinem Landkreis auf “Partnersuche” geschickt worden war. “Dass die Menschen hier so freundlich sind, war einer der ausschlagenden Argumente für den Saarpfalz-Kreis. Ich hoffe, dass mein Landkreis die gleiche Freundlichkeit zurückgeben kann”, erklärte Agostino und überbrachte die Grüße von Landrat Hazelett und der Beigeordneten (board of supervisors), die wegen einer bevorstehenden, wichtigen Wahl nicht dabei sein konnten.

Wie in der Kreisverwaltung in Homburg sind auch am Sitz der Wirtschaftsförderung von Henrico County markante Sehenswürdigkeiten des Landkreises in einem Glasfenster festgehalten. Fred Agostino übergab gerahmte Fotografien dieser Glasfenster als Gastgeschenk. Landrat Lindemann hatte sich ein besonderes Präsent ausgedacht. Er überraschte den amerikanischen Freund mit einem Symbol der vielseitigen Wurzeln der Saarpfalz: der Replik einer römischen Reitermaske, einem Fund aus dem Europäischen Kulturpark. “Es ist das erste Mal, dass diese Replik an einen Gast verschenkt wird”, hob Lindemann hervor.

Clemens Lindemann überreichte als Gastgeschenk die Replik einer römischen Reitermaske, die im Europäischen Kulturpark gefunden wurde.
Foto: Christoph Volz

Es regnete an Christi Himmelfahrt, als sich Landrat Lindemann auf den Weg nach Amerika machte – begleitet von Mitgliedern des Kreistages, der Kreisverwaltung und des DAF Saar-Pfalz. Von Frankfurt aus ging es mit einer Boeing über Philadelphia/Pennsylvania nach Richmond/Virginia.

Es galt sowohl auf deutschem als auch auf amerikanischem Boden einen für die saarpfälzischen Europäer nicht immer nachvollziehbaren, sicherheitstechnischen Aufwand zu überwinden. Zwei historische Daten  waren der Anlass für die Einladung zur Reise in den Partnerkreis: die Landung “Godspeed” vor 400 Jahren und der Beginn der Partnerschaft vor zehn Jahren. Ungewöhnlich: Alle, die am 5. Mai 1997 in der Kreissparkasse dabei waren, üben auch noch heute ihre Ämter aus.

Dies gilt auch für Landrat Hazelett, der entgegen dem deutschen System weder in einer Urwahl oder vom Kreistag gewählt, sondern von den Beigeordneten eingestellt wird. Seit 20 Jahren arbeiten die Beigeordneten James Donati, Jr., David Kaechele, Richard Glover, Patricia O’Bannon und Frank Thornton zusammen. Sie werden gewählt von Bürgern aus den jeweiligen Landkreisbezirken Varina, Three Chopt, Brookland, Tuckahoe, Fairfield und verteten deren Angelegenheiten. Einmal monatlich trifft sich das “Board”, das Gremium der Beigeordneten, in öffentlicher Sitzung. Der Vorsitz im Board wechselt turnusmäßig. Aktuell hatte James Donati, dessen Vorfahren, wie es der Familienname verrät, aus Italien stammen, den Vorsitz.

Wenig Fantasie braucht es, um in der Heimat von Pocahontas den indianischen Ursprung in den Bezirksnamen zu entdecken. Jedes amerikanische Schulkind lernt, dass englische Siedler am 26. April 1607 nach einer dreimonatigen Seereise in der Cheasapeake Bay und am 4. Mai am James River ankamen. Am 14. Mai setzten die “Susan Constant”, “Discovery” und “Godspeed”, Schiffe der Virginia Company of London, Anker im Stammesgebiet der Tsenacommacah unter Häuptling Wahunsonacock, auch Powhatan genannt.

Die rund 140 Ankömmlinge gründeten dort die erste permanente englische Siedlung in der Neuen Welt: Jamestown, benannt nach dem damaligen König James. Für die Siedler begann ein Überlebenskampf, die geprägt war von Missernten, Hungersnöten und Krankheiten. Kraft forderten ebenso interner Zwist und kriegerische Auseinanersetzungen mit den Ureinwohnern. Demgegenüber standen jedoch auch die Hilfe der Indianer, Zeiten des Friedens und des gegenseitigen Respekts, ausgelöst durch die Indianerin Pocahontas, wie es die Legende berichtet.

Baumpflanzung Nr. 2: 17 Schaufeln zur Pflanzung einer Linde am Cultur Arts Center in Glen Allen/Henrico County: County-Manager Virgil Hazelett und Landrat Clemens Lindemann, die Beigeordneten James Donati und Roland Engel hatten viele Helfer.
Foto: Joel Archibald

Zum 400. Jahrestag der Besiedlung ankerte die nachgebaute Godspeed am Ufer des James River. Ein Captain in historischer Montur berichtete den saarpfälzischen Besuchern von der dreimonatigen Seereise.
Foto: Angela Harper

Patricia O’Bannon empfing die Gäste mit den Worten: “We’re glad that the friends from the Saarpfalz County help us to celebrate the date of the historical foundation and the arrival of the Godspeed”. Tatsächlich nahm die Gruppe an der Zeremonie teil, bei der die nachgebaute “Godspeed” am Jamesriver in Chesterfield/Henrico County ankerte und die Rekonstruktion der Siedlung “Henricus Settlement” eingeweiht wurde.

Dort waren Menschen in die Rolle von Farmern und Indianern geschlüpft und erzählten in ihren Farmhäusern und Stallungen, einer Krankenstation, Indianerzelten aus Schilf und am Lagerfeuer von der damaligen Zeit. Höhepunkt war die Rede der Indianerin Gerri Reynold vom Rappahannock Stamm. Sie mahnte im Sinne von Pocahontas Frieden und gegenseitigen Respekt zwischen allen Völkern.

Die Geburtstagsfeier aus jüngerem Anlass fand im “Cultural Arts Center” in Glen Allen nahe der Hauptstadt statt. Hier hat das County ein früheres Schulgebäude im regionaltypischen Ziegelsteinbau erweitert, um ein Kulturzentrum zu schaffen. Auf dem Gelände des Kulturzentrums erinnert seither eine Linde an die gedeihende Partnerschaft. “Dass die geografische Entfernung kein Stolperstein auf unserem Weg ist und der Austausch von Ideen und Informationen in einer sich globalisierenden Welt mittels neuer Technik so fortschreitet, war uns vor zehn Jahren noch nicht bewusst”, unterstrich Clemens Lindemann.

Die saarpfälzischen Besucher ließen sich von Fred Agostino und Toney Hall über die Gewerbeansiedlungen informieren. Augenmerk legen die  Wirtschaftsförderer von Henrico auf Nanotechnologie. Hall hatte bei der Hannover Messe 2007 Kontakte mit saarländischen Unternehmen, unter anderem mit einer Firma aus dem Bexbacher Saarpfalz-Park.

Er führte die Gruppe zu Qimonda und Nabisco. Qimonda North America eröffnete nach nur elfmonatiger Planung und Bauzeit ein Halbleiterwerk, das zu Siemens-Infineon gehört. Martin Haller, ein deutscher Ingenieur aus Dresden, und Will Morden, Facility Manager, informierten bei einem Rundgang durch Teile des Werks, wie die Chips für USB-Stick, Handy, Laptop, Fernsehen entstehen.

Schutzanzüge sind für Besucher wie Beschäftigte von Qimonda obligatorisch: Bevor die saarpfälzische  Gruppe mit ihren Gastgebern das Halbleiterwerk besichtigen konnte, war ein spezieller Cleaning-Room zu passieren.
Foto: Loretta Carter-Getter

Wie neueste Technologien uraltes Handwerk verändern, stand bei der Werksbesichtigung von Nabisco – Kraft-Foods auf dem Programm: Computergesteuerte Backbeimischungen, überdimensionale Teigmischer und Backöfen von 30 Metern Länge sind Teile des auf fünf Stockwerken funktionierenden Arbeitsablaufs. Viele Unternehmen in Henrico beschäftigen deutsche Mitarbeiter.

Die Schulverwaltung – verantwortlich sind Schulrat Fred Morton und ein gewähltes School Board – unterhält deshalb in der Springfield Park Grundschule für deutsche Kinder aus English as a Second Language (ESL)-Familien ein ESL-Lernprogramm mit Deutschanteil. Für alle Schüler steht das Lernen via “I-Books” mit Lerneinheiten  auf dem Stundenplan, die der jeweiligen Klasse angepasst sind. Der kleine Laptop bestimmt das Lerntempo individuell. Hildegard Pope-Canfield und Elisabeth Schmidt-Gleason aus Deutschland, die auch die ESL-Klassen unterrichten, erläuterten die Unterschiede zu deutschen Schulen: Der Schultag beginnt mit einer Meditation und endet um 15 Uhr, die Schüler gestalten eine fünfminütige Schulsendung, die in die Klassensäle übertragen wird. Wert wird gelegt auf Ruhe im Unterricht und auf den Fluren.

Die Schüler werden mit Bussen gebracht und am Nachmittag abgeholt, die vom Kreis ausschließlich für den Schülertransport eingesetzt sind. Auffällig ist, dass die Grundschule von Schulleiterin Janice Adams mit White Boards statt grünen Tafeln ausgestattet und die Schulräume Glasfenster und –türen zu den Fluren haben. Das Lernen mit den I-Books setzt sich fort in den höheren Klassen: Alle High-School-Schüler haben eigene Laptops, für die sie verantwortlich sind und die sie für Hausaufgaben mit nach Hause nehmen. Viele Informationen erhalten die Schüler über das Intranet. Fachlehrer haben ihre eigene Homepage und korrespondieren mit Schülern per Mail, korrigieren Hausaufgaben, hören sich zum Beispiel die spanische Aussprache noch einmal außerhalb des Unterrichts an. Schüler und Eltern gelangen über Passwörter in das Intranet.

Eltern können so die Noten oder den aktuellen Unterrichtsplan ihrer Kinder einsehen. Im Technology Center, das Lloyd Brown mit über 70 Angestellten leitet, werden alle Laptops repariert, neue Programme entwickelt, neue Unterrichtssoftware getestet und Lehrer geschult. Doch nicht zu vergessen: Es gibt noch immer Papier und Bleistift in den Schulen von Henrico. Das Schreiben wird nicht verlernt. Trotzdem das System erinnert schon ein wenig an einen gläsernen Schüler.

In der Kolonialzeit galt in Virginia die Ananas als Zeichen für Gastfreundschaft. Die von allen empfundene, herzliche Gastfreundlichkeit führte den Heimkommenden gedanklich riesige Ananasplantagen vor Augen. Ein Vorurteil wurde jedenfalls widerlegt: Von wegen Amerikaner seien nur oberflächlich freundlich. Wo die kleinen, feinen Unterschiede liegen, lässt sich in den nächsten Jahren weiter herausfinden. Eine Einladung für 2008 hinterließ Landrat Lindemann beim Abschied.

Autorin: Beate Ruffing